DREI PLUS DREI
Ein Medium, das uns in vielfältiger Gestalt tagtäglich begegnet, ist die Fotografie. Fast jeder hat eine Vorstellung davon, was diese sei und für welche Aufgaben sie bereit steht. Mit der Digitalisierung gegen Ende des 20. Jahrhunderts erfolgte ein enormer Aufschwung. Niemals waren so viele Menschen in der Lage, wann immer es ihnen beliebt, mit Kameras und Smartphones, den Moment festzuhalten. Milliarden von Bildern entstehen jedes Jahr, fixieren Spontanes und Privates, und füllen vor allem das elektronische Netz mit einer kaum fassbaren Datenmenge.
Fotografie und Kunst. Ein Thema, das von Anbeginn der Entwicklung des Mediums zu Diskussionen und Betrachtungen anregte. Ein heute als selbstverständlich angenommener Umstand ist die Tatsache, dass es mit Hilfe des Fotoapparates erstmals möglich war, Kunstwerke in größtmöglicher Authentizität aufzunehmen. Die damit einhergehende Entwicklung, immer feiner auflösender Reproduktionstechniken, ermöglichte es, diese zu verbreiten. Erstmals konnte man so Kunstwerke aus unterschiedlichen Epochen in direkter Ansicht miteinander vergleichen. Fotografie, die die Kunst dokumentiert, aber die Fotografie als eigenständiges Kunstwerk?
Worin liegt die Kunst? Einen Ausschnitt der Umgebung zu bannen? Die Wahl des Ortes, der Perspektive, die Annäherung an die perfekte Balance zwischen Hell und Dunkel? Jedweder Ausschnitt aus unserer Welt, fototechnisch erfasst, ist Fotografie und belässt diese zunächst in einer Stasis der Beliebigkeit. Nach dieser Überlegung müsste man eigentlich die Bedeutungslosigkeit des Mediums postulieren, gewänne dieses nicht, durch Kommentierung, Inhalt und Bezug für den Betrachter.
Die Bemühungen der Künstler, sich zwischen Natürlichkeit und Kulturellem, also Objektivem und Besetztem, zu bewegen, sind vielfältig. Konzepte und narrative Elemente als bestimmende Faktoren bilden Parameter. Bildpoetische Prozesse drängen in den Vordergrund. Darüber hinaus wird die Kamera, durch die Bearbeitungsmöglichkeiten der durch sie generierten Daten, zum gestaltenden Werkzeug, das Pinseln oder Radiernadeln gleichgestellt werden kann. Sie wird zum Teil eines Arbeitsablaufes, aber nicht zwangsläufig zu dessen allein gestaltendem Element. Ein Künstler der zum Zwecke der Visualisierung die Kamera als Werkzeug gewählt hat, erfüllt damit nicht zwangsläufig das Bild, das man einem klassischen Fotografen zuweisen würde. Ein Künstler der sich mit Fotografie auseinander setzt, muss auch nicht zwangsläufig selbst der Schöpfer des Ausgangsmaterials sein.
Das Kunstzentrum Bosener Mühle wagt mit der Ausstellung DREI PLUS DREI einen Einstieg in die künstlerisch ambitionierte Fotografie. Zwei Künstlerinnen und vier Künstler gewähren uns einen Einblick in ihr Schaffen, in einer von vielen Klischees camouflierten Sparte. Dem Spagat zwischen dem Faktischen und der Inszenierung des Faktischen, wird hier ebenso Raum gegeben, wie dem dokumentarischen Moment oder der cinematografischen Sichtung und Zusammenstellung vorgefundenen Bildmaterials.
Vieles, das uns in diesen Fotografien begegnet, kommt uns bekannt vor und verunsichert doch bezüglich seiner Authentizität. Die Frage, ob eine aufgefangene Lichtspur, die im chemischen Bad entwickelt wurde, letztlich mehr davon in sich birgt als das digitale Bild, dessen Ausgangsdaten im Computer leicht verändert werden können, wäre ein falscher Ausgangspunkt. Entstehende Fragen haben mehr mit uns, den Betrachtern, zu tun. Sie hinterfragen unsere Selbstwahrnehmung, sichten den sozialen Code, der uns die Dinge so oder so sehen lässt, obwohl der Gegenstand unverändert bleibt. Dabei erleben wir die Anwendung von Kompositionstechniken, die uns aus der Malerei bekannt sind, deren Grenzen aber in ganz verschiedene Richtungen verschoben oder überbrückt werden. Die Vermittlung dieser Ansichten mit all den technischen und gestaltenden Mitteln, die die Fotografie bereit hält, bietet den Betrachtern die Möglichkeit, Realität leichter zu begreifen.
Mit dieser Ausstellung startet auch das Projekt DREI PLUS DREI. Drei Fotografen laden je einen Gast ein, der selbst mit der Fotografie verbunden ist. Jeder, der an einer solchen Veranstaltung beteiligt war, hat die Option, ein solches Projekt, irgendwo auf der Welt, im Kontext durchzuführen. Das Kunstzentrum Bosener Mühle wird dieses Projekt weiter unterstützen und auf seiner Website dokumentieren.
Ich wünsche allen Beteiligten Erfolg.
Christoph M Frisch
André Mailänder
Dittgen Kolonnen 1997/2013
Im Vordergrund Arbeiten von André Mailänder, dahinter eine Installation von Elmar Mauch.
Cindi Jacobs
Mensch und Raum
Johannes Maria Schlorke
Flora und Fauna
Thomas Roessler
Kursnotierungen
Abby Store
The Analogue
Elmar Mauch
Institut für künstlerische Bildforschung
Ein Fotograf der nicht fotografiert? Hören Sie Elmar Mauchs Vortrag und die nachträgliche Diskussion mit
dem Publikum im Rahmen der Ausstellung DREI PLUS DREI. Ein interessanter und erhellender Einblick
in die Konzeption und das Wirken eines Fotokünstlers.
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Aufnahmetechnik und Schnitt : Jürgen Schwan © 2013
Fotos: Christoph M Frisch © 2013
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